MfA_3_2022

Magazin für Amerikanistik
3. Quartal 2022
1. Bedeutender indianischer Journalist gestorben
Am 24. Juli 2022 starb in Rapid City (SD, nahe beim Pine Ridge Reservat) im Alter von 88 Jahren einer der wichtigsten indianischen Journalisten. Tim Giago war Oglalla Lakota und jahrzehntelang die Stimme der nordamerikanischen Stämme. Er war auch der erste unabhängige indigene Zeitungsverleger der USA. Seit Jahren litt er an Diabetes und Krebs.

Tim Giago oder Nanwica Kcjii (Lakota: Er steht für andere) begann 1980 als Reporter beim „Rapid City Journal“. Schon bald fühlte er sich in seiner Freiheit beeinträchtigt, weil er nicht über die Reservationen schreiben durfte. Sein Chef erklärte ihm, er sei in Bezug auf die indianischen Reservationen befangen, worauf ihn Giago fragte, ob die anderen – weißen – Reporter in dieser Sache objektiver wären, als er…

So fasste er 1981 zusammen mit seiner Frau einen waghalsigen Entschluss. Sie besaßen nur einen alten Fort als Sicherheit, mit dem sie einen Bankkredit über 4.000 USD erhielten. Damit gründeten sie die erste überregionale Zeitung, die „Lakota Times“, ein unabhängiges Organ für das indianische Nordamerika – erstellt von Indianern.

Tim Giago wollte die indianische Stimme auf nationaler Ebene hörbar machen und die indigenen Völker des Landes darstellen. Die Zeitung gewann schnell viele Leser, vor allem wegen Giagos engagiertem Schreibstil, der nie ein Blatt vor den Mund nahm und sowohl die Geschichte, als auch die Gegenwart aus indianischer Sicht beschrieb.

Überhaupt war er ein Kämpfer, der sich der „indianischen Sache“ annahm. So kämpfte er gegen den Columbus Day, gegen indianische Namen für (nicht indianische) Sportmannschaften (wie Redskins) und falsche Medizinmänner, die gegen Geld indianische Traditionen an amerikanische und europäische Esoteriker verscherbelten und damit die eigentliche Spiritualität verrieten.

Aber so entschlossen Tim Giago auch für seine Anliegen eintrat, so sehr lehnte er Gewalt ab. Das brachte ihn in Konflikt mit Teilen der indigenen Bevölkerung, weil er nicht uneingeschränkt das „American Indian Movement“ unterstützte, welches auch gewalttägige Aktionen zu vertreten hatte. Er erhielt hasserfüllte Briefe von den eigenen Leuten und 1981 zerschossen unbekannte Täter das Fenster seiner Redaktion. Gegen das Gebäude wurden Brandsätze geworfen.

Als er einmal sein Auto bestieg, durchschlug eine Gewehrkugel die Windschutzscheibe und verfehlte seinen Kopf nur um Haaresbreite.

Mutig und ungebeugt widerstand er jeder Form der Einschüchterung – egal von welcher Seite sie auch kam.

Er verkaufte sein Erfolgsprojekt „Indian Country Today“ bereits bevor er die Krebsdiagnose erhielt. Dieses Magazin ist heute eine amerikaweit gelesene Publikation (auch online) im Besitz des wohlhabenden Pequot-Stammes.

Mit Tim Giago verloren die Indianer Nordamerikas einen ihrer größten Krieger.

2. Stammesrat der Oglala-Lakota von Pine Ridge weist Missionar aus
Im Juli dieses Jahres beschloss der Stammesrat auf Pine Ridge einen christlichen Missionar des Reservats zu verweisen. Ihm wurde unterstellt, die traditionelle Stammesreligion der Lakota als „dämonisch“ bezeichnet und Hassreden gegen traditionelle Medizinmänner geführt zu haben.

Es handelte sich um einen Priester der „Jesus is King Mission“, der auch Pamphlete gegen indianische Religion verfasst und verteilt hatte, in denen er die Lakota-Kultur und Spiritualität als dämonisiert hatte. So stellte er Tunkashila (Wakan Tanka) als Dämonennamen dar und bezeichnete die „weiße Büffelkalbfrau“ – eine wichtige mythische Retter-Figur in der spirituellen Geschichte der Lakota – als Dämonin, denn nur Jesus Christus könne die Rettung bringen.

Der Priester seinerseits äußerte, er habe nichts gegen die Indianer, nur gegen die Religion der Eingeborenen.

Amerika ist ja bekannt dafür, dass diverse christliche Gruppen, mit teilweise radikalen Ansichten um „den richtigen Glauben“ streiten. Dies insbesondere auch gegen Angehörige anderer Religionen, die sie nicht als gleichwertig akzeptieren wollen. Und Indianer-Reservationen sind – aus Sicht der Missionare – (immer noch) eine Wiese, auf der viele potentielle Schafe weiden, die man bekehren könnte.

Daher ist nicht ausgeschlossen, dass auch weitere Missionen die Reservation verlassen müssen, wenn sie weiter gegen die traditionelle Spiritualität agitieren.
 
3. Einer der allerletzten Navaja-Funker (Code Talker) des 2. Weltkrieges, Samuel Sandoval ist gestorben
Im 2. Weltkrieg setzten die USA Navajo (Dine) als Funker ein, weil deren komplizierte und schwer zu erlernende Sprache die Japaner vor unlösbare Rätsel stellte. Sie konnten die „verschlüsselten“ Funksprüche, die sie abfingen nicht entziffern. Dabei war es gar kein Code, sondern einfach die Dine-Sprache, die sich jeder „Entschlüsselung“ entzog. (Der Film „Navajo Code Talkers of World War II“ dokumentiert diese Männer). Sie trugen entscheidend zum Sieg der USA über Japan bei.

Nun ist der viertletzte Code Talker Samuel Sandoval im Alter von 99 Jahren gestorben. Es leben noch Peter MacDonald, John Kinsel und Thomas H. Begay.

Der Präsident der Navajo, Jonathan Nez über Sandoval: „Der Funker Samual Sandoval wird immer als liebevoller und mutiger Mensch in unserer Erinnerung bleiben. Er brachte mit seinem Dienst ein höheres Opfer, als wir jemals verstehen werden.“

Samuel Sandoval kam 1922 in Nageezi (New Mexico) zur Welt und trat am 26. März 1943 ins US-Marine-Korps ein, wo er seine Grundausbildung durchlief, bevor er im September 1942 mit 28 Kameraden als erste Navajo-Funker in San Diego in den Funkdienst trat.

4. Gericht verbietet endgültig Feuerwerk am Mount Rushmore

Kristi Noem, republikanische Gouverneurin von South Dakota und Trump-Anhängerin scheiterte nun endgültig vor einem Bundesgericht. Sie hatte versucht, am 04. Juli (Nationalfeiertag) ein riesiges Feuerwerk um die 4 Präsidentenköpfe am Mount Rushmore, der zu den Black Hills gehört zu veranstalten.  Die Idee dazu stammte vom früheren Präsidenten Donald Trump. Es hatte erhebliche Proteste der indigenen Bewohner der Gegend gegeben, für die die Black Hills heilig sind. Der Nationalparkservice hatte sich ebenfalls dagegen ausgesprochen.

Bereits in erster Instanz siegten die Gegner des Feuerwerks, woraufhin die Gouverneurin in die zweite Instanz ging. Das Volk der Cheyenne River Siuox hatte Unterstützung aus dem Weißen Haus – von Joe Biden – bekommen.

Die Ablehnung der Forderung der Gouverneurin war beim zweiten Mal noch eindeutiger ausgefallen. Theoretisch könnte sie nun noch zum Obersten Bundesgericht gehen, aber die Chancen stehen für sie dort schlecht. Auch Verhandlungen mit dem Nationalparkservice dürften sinnlos sein.

5. Senat spricht Indianervölkern 720 Millionen Dollar als Inflationsausgleich zu
Im August verabschiedeten beide Häuser des US-Kongress ein Gesetz, das der amerikanischen Wirtschaft Inflationsunterstützungen zusagt. Auch die Indianervölker profitieren davon. Die Reservationen der Indianer, der Eingeborenen von Hawai und der Alaska-Völker werden 720 Millionen Dollar für Maßnahmen erhalten, die der Verbesserung der Infrastruktur, vor allem mit dem Schwerpunkt Bekämpfung des Klimawandels und Verbesserung der Energieversorgung, dienen. Hierzu gehören beispielsweise Fischzuchtprojekte, Elektrifizierung von Wohnungen, sowie der Bau weiterer Wohnungen und Unterstützung von klimafreundlichen Wirtschaftsprojekten.

Außerdem enthält das Inflationsausgleichprogramm Garantien für Anleihen der Stämme an den Staat, damit die Stämme nicht in Rückzahlungsprobleme geraten.

6. Indianische Kasino-Industrie auf historischem Rekordhoch
Trotz der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen erzielten die indianischen Kasinos eine dramatische Steigerung  des Gewinns – auf 39 Milliarden USD, so die Zeitung „Indian Country Today“. Das ist ein absoluter Rekord in der Geschichte der indigen geführten Kasinos. Nach anfänglichen Verlusten durch die Lockdowns und erzwungenen Schließungen, drehte der Wind in eine erfreuliche Richtung. Der Corona-Einbruch war nur eine kurzfristige Erscheinung.
Die Stämme investierten hohe Summen in die Sicherheit für die Gesundheit der Gäste. Damit waren sie Vorreiter in den USA – und das zahlte sich aus. Besonders beeindruckend waren die Zuwächse in Oklahoma.

7. Öffentliche Erklärung der „Vereinigung der Überlebenden der indianischen Reservate“
Am 22. Juli 2022 veröffentlichten die Mohawk-Überlebenden der „Residential Schools“ in Kanada anlässlich des Besuches des Papstes und dessen Entschuldigung für das Leid, das indianischen Kindern in kirchlich geführten Schulen zugefügt wurde, eine Erklärung.

Bekanntlich sollten die Internate (in Kanada „Residential Schools“, in den USA „Boarding Schools“) dazu dienen, die indigenen Kinder für die „Welt des weißen Mannes“ umzuerziehen. Da man „das Indianische“ als inkompatibel zu den Vorstellungen und Anforderungen der „Zivilisation“ ansah, sollten die Kinder ihre eigene Kultur vergessen und zu „nützlichen Mitgliedern“ der weißen Mehrheitsgesellschaft werden.  Getreu den damaligen pädagogischen Vorstellungen von Erziehung waren die Methoden rüde. Außerdem kam es zu häufigen Übergriffen des Personals wie sexuellem Missbrauch oder Misshandlungen. In den letzten Jahren wurden auf dem Gelände ehemaliger Internate Massengräber entdeckt. Viele Kinder starben an Infektionskrankheiten. Ihre Leichen wurden einfach verscharrt, die Eltern nicht über den Tod informiert.

Die Mohawk lehnen die Entschuldigung des Papstes ab und verweigern die „Absolution“. Sie wollen, dass die Schuldigen ermittelt und verurteilt werden, damit ihren Kindern Gerechtigkeit widerfahre. Sie erwarten, dass der Papst mit ihnen zusammenarbeitet, um eine endgültige Klärung zu erreichen.

Die Mohawk waren von der indianischen Versammlung am 01. April, bei der der Pabst seine Entschuldigung vorgetragen hatte, ausgeschlossen worden, weil sie nicht bereit waren, seine Entschuldigung anzunehmen. Auch in dieser Frage sind die Stämme unterschiedlicher Auffassung.

8. Indianische Mode erobert den Bekleidungsmarkt
Sage Mountainflower, indigene Modeschöpferin aus Taos Pueblo stellte im Frühsommer diesen Jahres ihre neue Kollektion vor. Sie hat sich von traditionellen Designs und modernen Formen inspirieren lassen. Auf der indianischen Modemesse „Heard Indian Fair And Market“ wurde sie mit dem „Blue Ribbon“ ausgezeichnet. Ein weiterer erfolgreicher Schöpfer indianischer Mode ist der gebürtige Cree Scott Wabano, der Geschichte und Gegenwart in seinen Kreationen verbindet.

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