MfA_4_2022

Mit großer Trauer nehmen wir deinen letzten Ritt in den Sonnenuntergang zur Kenntniss.

Alles Gute für dich und wir werden uns wiedersehen!

(Dietmar Kuegler ist am 03. Dezember 2022 von uns gegangen.)


Magazin für Amerikanistik
4. Quartal 2022
1. Erste Indianerin als Raumstationskommandantin
Als die Space-X Grew 5 der NASA an der internationalen Raumstation andockte, war es die Kommandantin Nicole Aunapu Mann, die als erste durch die Luke schwebte. Sie ist die erste indigene Amerikanerin, die an Bord der ISS leben und arbeiten wird.

Insgesamt sind 11 Besatzungsmitglieder an Bord. Nicole Aunapu Mann aus dem Volk der Round Valley Indianer ist auch die erste indigene Astronautin. Sie ist 45 Jahre alt – und dies war ihr erster Weltraumflug.

2. US-Innenministerium vergrößert das Sand-Creek-Massaker-Gelände
Im Morgengrauen des 29. November 1864 griff eine Einheit eines US-Freiwilligenregiments unter dem Kommando von Colonel John M. Chivington, einem ehemaligen Prediger, ein schlafendes Cheyenne-Lager am Sand Creek an. Die Expedition sollte eine Vergeltungsmaßnahme für Überfälle sein, die angeblich von Cheyenne-Kriegern an weißen Siedlern begangen worden waren. Vermutlich dienten diese Überfälle aber hauptsächlich dazu, Col. Chivington und Gouverneur Evans eine Möglichkeit zu verschaffen, sich als „Indianerkämpfer“ zu profilieren, was bei der damaligen öffentlichen Meinung gut ankam.

Die Miliz-Soldaten töteten mehr als 230 Cheyenne und Arapaho, die meisten von ihnen Frauen, Kinder und ältere Menschen, da viele Krieger auf der Jagd waren. Die an den Indianer begangenen Gräueltaten gingen in die Geschichte ein, als das Massaker von Sand-Creek und dienten später als historische Vorlage zum Western „Das Wiegenlied vom Totschlag“ (Anmerkung: Nichts für schwache Nerven). Offiziere der regulären Truppen, die bei dem Geschehen anwesend waren, weigerten sich, an dem Morden teilzunehmen und sagten später gegen Chivington vor dem Kriegsgericht aus. Da Chivington aber in Ruhestand ging, kam er ohne Verurteilung davon. Einer der Offiziere, die gegen ihn ausgesagt hatten, Silas Soule, wurde von einem Teilnehmer des Massakers später auf offener Straße erschossen. In Denver erinnert ein Gedenkstein an ihn.

An der Stelle des Massakers gab es bereits eine Gedenkstätte, die nun vergrößert werden soll. Innenministerin Dr. Deb. Haaland – erste Indianerin in einem US-Bundeskabinett – machte die Ankündigung während einer feierlichen Zeremonie an der „Sand Creek Massacre National Historical Site“ etwa 170 Meilen südöstlich Denver, um die Toten, Überlebenden und deren Nachkommen zu ehren. Der Vergrößerung der Gedenkstätte soll den Besuchern mehr Möglichkeiten bieten, sich über das Massaker und seine Hintergründe zu informieren.

Innenministerin Haaland erklärte, es sei die „feierliche Verantwortung“ ihres Ministeriums, „die vollständige Geschichte unserer Nation zu erzählen“.

Wörtlich sagte sie: „Die Ereignisse, die hier stattfanden, haben die Geschichte der Stämme der nördlichen Cheyenne und der nördlichen Arapaho für immer verändert. Wir werden niemals die Hunderte von Leben vergessen, die hier brutal ausgelöscht wurden – Männer, Frauen und Kinder wurden bei einem unprovozierten Angriff ermordet. Geschichten wie das Massaker von Sand Creek sind nicht leicht zu erzählen, aber es ist meine Pflicht – es ist unsere Pflicht – dafür zu sorgen, dass sie erzählt werden. Diese Geschichte ist Teil der Geschichte Amerikas.“

Es gibt auch weitere politische Reaktionen in Zusammenhang mit dem Massaker. So wird derzeit die Umbenennung von Mount Evans, einem prominenten Gipfel des Rocky Mountains, vorbereitet, der nach dem Territorialgouverneur benannt wurde, der nach dem Massaker (das größere Wellen schlug, als von ihm erwartet) zurücktrat. Letztes Jahr widerrief Gouverneur Jared Polis eine Proklamation von Evans aus dem Jahr 1864(!), die die Bürger aufforderte, Indianer zu töten und ihr Eigentum zu nehmen…

3. Zeugen sprechen über Indianische Boarding Schools (Internate)
Nachdem ihre Mutter starb, als Rosalie Whirlwind Soldier gerade 4 Jahre alt war, wurde sie in ein indianisches Internat in South Dakota geschickt, wo man ihr erklärte, ihre Muttersprache, Lakota, sei eine „Sprache des Teufels“. Sie erinnerte sich, dass sie wochenlang in einem Keller der St. Francis Indian Mission School eingesperrt war, als Strafe, dass sie gegen die strengen Regeln der Schule verstoßen hatte. Ihre langen Zöpfe wurden ihr abgeschoren, um ihre kulturelle Identität auszulöschen.

„Ich dachte, es gäbe keinen Gott, nur Folter und Hass“, sagte Whirlwind Soldier bei einer Veranstaltung in Rosebud-Reservation unter der Leitung von Innenministerin Deb. Haaland. Rosalie sprach auch über den Missbrauch, den sie in dem Internat erlitten hatte. Whirlwind Soldier ist heute 78 Jahre alt und lebt immer noch auf der Rosebud-Reservation (Nachbarreservation von Pine Ridge). Sie sagt, dass sie über ihre Erfahrungen in der Hoffnung spricht, die Traumatisierung endlich zu überwinden.

Die Veranstaltung, bei der sie über ihre Erfahrungen berichtet, war die dritte in Deb. Haalands einjähriger „Road to Healing“-Initiative für die Opfer von Missbrauch in staatlich unterstützten Internaten. Zuvor hatte sie in Oklahoma und Michigan Halt gemacht.

Ein Untersuchungsbericht – der erste Band davon – listet über 400 Internate auf, die von der US-Regierung vom Ende des 19. Jahrhunderts bis weit in die 1960er-Jahre unterstützt wurden. Sie alle hatten das Ziel „den Indianer zu töten, um den Menschen zu retten“, wie es der Gründer der ersten „Industrial Indian School“ in Carlisle, Pennsylvania, Leutnant Richard Henry Pratt ausgedrückt hatte. Das „Indianische“ passte nicht in die „zivilisierte“ Welt der weißen Mehrheitsgesellschaft und die Kinder sollten zu „nützlichen Bürgern“ umerzogen werden.

Bis heute sind etwa 500 Kinder bekannt, die in den Schulen umkamen, eine Zahl, die vermutlich deutlich steigen wird, denn derzeit finden an vielen (ehemaligen) Schulen Ausgrabungen statt, mit dem Ziel anonym bestattete Kinder zu erfassen. Dies soll in einem zweiten Band veröffentlicht werden.

Der US-Kongress erwägt einen Gesetzentwurf  zur Einrichtung einer „Wahrheits- und Heilungskommission“ für Internate, ähnlich einer solchen, die 2008 in Kanada eingerichtet wurde.

4. Keine Hotelzimmer für Indianer in Rapid City?
Das US-Justizministerium hat die Eigentümer eines Hotels in Rapid City, SD verklagt, weil sie die Bürgerrechte amerikanischer Ureinwohner verletzt hätten. Sie haben versucht, Indianer von ihrem Grundstück und aus ihrem Hotel zu verbannen, nachdem es dort zu einer Schießerei mit Todesfolge zwischen zwei indigenen Jugendlichen gekommen war. Die Eigentümerin Connie Uhre, sowie ihr Sohn hatten Indianern daraufhin Zimmer verweigert und auch andere Hoteliers aufgefordert, das Gleiche zu tun. Dieser Aufruf löste große Proteste aus – wie bereits in der letzten Ausgabe berichtet.

Jetzt folgt die juristische Klärung, denn das Abweisen von Gästen aufgrund deren ethnischer Zugehörigkeit verstößt gegen die verfassten Bürgerrechte – und ist somit verboten.

Rapid City (South Dakota), eine Stadt mit 77.000 Einwohnern liegt in der Nähe (180km – also nah, nach amerikanischen Vorstellungen) des Pine Ridge-Indianerreservates (Oglala-Lakota). 11% der Bürger Rapid Citys haben indigene Wurzeln. Und leider hat die Stadt auch eine lange Tradition was rassistische Spannungen betrifft.

5. Eröffnungszeremonie im neuen Cheyenne und Arapaho-Health Center
Am 18. Oktober wurde das neue Health Center für Angehörige der Cheyenne und Arapaho feierlich eröffnet. Die Zeremonie begann mit traditionellen Trommelliedern und der Präsentation von Flaggen durch Angehörige der beiden Stämme.

Das Health Center wurde über lange Zeit konzipiert. Es soll nicht nur die Bedürfnisse der Gesundheitsversorgung der Patienten erfüllen, sondern auch die kulturellen Traditionen der Cheyenne und Arapaho wiederspiegeln. So wurden die Wände in Farben gestrichen, die traditionelle Medizin repräsentieren. Die medizinischen Teams sind nach Tieren benannt, die in der Geschichte der Stämme eine große Rollen spielen. Die Räume wurden in der Stammessprache bezeichnet. Und die Lobby wurde dem Inneren eines Tipis angepasst. Das ganze Gebäude soll mit seinen Elementen zur Heilung beitragen. (Anmerkung: Das wäre auch mal eine Anregung für deutsche Kliniken…)

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