Reise nach South Dakota
März 2019
Bericht: Grit N.
Wieder einmal machten wir uns auf die lange Reise nach South Dakota.
Obwohl Berlin für eher nicht funktionierende Flughäfen bekannt ist, klappte diesmal alles reibungslos und wir landeten pünktlich am 12.03.2019 in Rapid City. Ich liebe diesen kleinen überschaubaren Flughafen, in dem man aus dem Flugzeug kommend schon fast über das Kofferband stolpert.
Ja, Koffer- meiner ging verschütt. Um unsere wenigen Sachen tat es mir nicht leid, jedoch war der halbe Koffer vollbeladen mit Geschenken…….
Von einer Freundin wurde uns unser fahrbarer Untersatz zum Flughafen gebracht und wir wurden gleich darüber informiert, dass ein Blizzard im Anmarsch ist.
Der gut gemeinte Rat war: „Geht jetzt noch einkaufen, in den nächsten Tagen geht hier nichts mehr“.
Naja, Amis übertreiben ja gern.
Unser angemietetes Häuschen befand sich in Custer in den Black Hills, es war später Nachmittag und zum Frühstück brauchten wir eine Kleinigkeit. Also doch los, in den Walmart, er lag auf der Strecke in Rapid City. Wir waren sehr überrascht, wie voll es dort war. Leider nicht mehr in den Regalen. Wann gab es bei uns mal so leere Regale? Nach 1945? Ich weiß es nicht.
Schön ist, dass Klischees immer wieder bedient werden, die Regale für Toastbrot waren leer ebenso wie die Tiefkühlstrecken für Pizza und Pommes.
Ein bisschen unruhig wurden wir nun doch, wenn die Einheimischen sich mit Lebensmitteln eindeckten, dann musste es ja tatsächlich schlimm kommen.
Bepackt mit Lebensmitteln für zwei Tage fuhren wir nach Custer und harrten dort der Dinge, die da kommen sollten.
Vormittags am nächsten Tag war noch nichts los. Ein bisschen Schneegriesel war alles und wir wagten uns noch einmal in den kleinen Ort. Scheinbar hatten es sich alle schon zu Hause gemütlich gemacht, der Ort lag wie ausgestorben vor uns.
Nun also warten auf den Blizzard. Das amerikanische Fernsehen versorgte uns sekündlich mit immer den gleichen Horrormeldungen. Aus dem Fenster geschaut- nix. Nachmittags ging es dann mit Schneegestöber los, aber für unsere deutschen Verhältnisse sah das nicht wirklich schlimm aus. Schnee halt und nicht mal so viel. Aber wir waren artig und blieben zu Haus. Mittlerweile häuften sich auch die Informationen auf Facebook, außerhalb der Black Hills musste die Hölle los sein.
Ein Sheriff schrieb „South Dakota ist geschlossen“.
Es wurden tatsächlich alle Straßen gesperrt und es war unter Strafe verboten, diese mit einem Fahrzeug zu nutzen.
Am nächsten Morgen erkundigten wir uns erst einmal, was denn so los wäre auf den Straßen. Es wurde darum gebeten, diese weiterhin nicht zu nutzen, um den Räumfahrzeugen die Möglichkeit zu geben, die Straßen von Schnee und Eis zu befreien.
Nachmittags machten wir uns doch auf den Weg und schwupp, schon rutschte ein Fahrzeug vor uns in den Graben- nichts passiert, nur der Schreck. Das tückische an den Straßen dort sind die "Black Ice"-Eisstellen auf der Straße, die nicht erkennbar sind, dein Fahrzeug aber manövrierunfähig machen. Im letzten Jahr erwischte es uns auch.
Später machten wir uns auf den Weg nach Pine Ridge zu Wendell. Nun sahen wir auch die Ausmaße des Blizzards. Auf dem Weg zu Wendells Trailer versanken wir bis zu den Knien im Schnee, die Kinder und Wendell waren gerade dabei, Stück für Stück den Weg freizuschaufeln. Ein Auto hatten sie in weiser Voraussicht an der Straße stehen gelassen, um beweglich zu bleiben.
Die wenigen BIA- Straßen in der Reservation waren erstaunlich gut geräumt, aber den Ort Pine Ridge schienen sie vergessen zu haben. Dort lagen die Schneeberge rechts und links und mitten auf der Straße. Die Wege zu den Trailern und Häuser mussten natürlich, egal wie lang, selbst geräumt werden. Die Bewohner des Hinterlandes waren so erst einmal von der Außenwelt abgeschnitten.
Es kam allerdings noch schlimmer, denn nach dem Blizzard ist vor dem Modder.
Es wurde in den nächsten Tagen wärmer und der Schnee schmolz- das ist schon mal nicht schlecht. Jedoch für unbefestigte Straßen einfach auch unmöglich. Wir fuhren mit Lebensmitteln in die Reservation und sahen wie diese im Modder versank. Nun waren auch einige BIA- Straßen überflutet und gesperrt, die unbefestigten Straßen und Wege waren größtenteils nicht passierbar. Wir schafften drei Auffahrten zu Häusern, bei der vierten Auffahrt zu Chubbs gab auch unser Wagen auf. Weder vorwärts, noch rückwärts, über Schnee, durch den Modder, nichts ging mehr.
Schaffte man es bis vors Haus, versank man selbst im Modder, rutsche gen Haustür und war froh, wenn man unterwegs nicht alles fallenließ auf der Suche nach Halt.
Menschen und Autos waren gleichmäßig verdreckt. Wir trafen uns mit Misty- Wendells Tochter- an der Tankstelle in Pine Ridge, sie hatte es wieder geschafft, auf den unbefestigten Wegen, mit nur einem Mal „Stecken Bleiben“, bis in den Ort zu kommen. Leider entstand auch vor ihrem Haus im Pine Ridger Hinterland in den nächsten Tagen ein neuer Fluss und sie mussten Bretterbrücken bauen.
Dreck und Modder, das vergeht alles. Viel schlimmer war, dass die Menschen in den abgeschnittenen Regionen nun Lebensmittel und ganz profan Wasser brauchten, die Propantankwagen nicht mehr zu den Trailern kamen und die Notversorgung nicht gewährleistet werden konnte.
Wir fuhren zu Babette- unsere Winterprojektverantwortliche vor Ort- um unter anderem auch das Winterprojekt zu besprechen. Sie und ihre Mutter erzählten uns von den notleidenden Familien und Älteren, die auf Grund des Wetters nicht mit Propan versorgt werden konnten. Auch heizen viele Ältere noch mit Holz. Babette nahm uns mit ins Office von Manderson und zeigte uns die dort geführte Liste mit Hilfeanfragen- es waren 190 Familien nur für den Wounded Knee District.
Mit Propan konnten wir nicht helfen, da weiterhin alles unter dem Modder begaben war, aber der Bitte nach Heizlüftern konnten wir nachkommen. Natürlich gab es diese nicht mehr in Rapid- die Wintersaison war vorbei- aber wir haben es geschafft, 20 dieser Lüfter zu bestellen, so dass Familien mit Babys und Ältere die Zeit bis zur nächsten Propanlieferung überbrücken konnten, ohne allzu sehr zu frieren. Später brachten wir noch dringend benötigtes Wasser und Babynahrung zum Office, so dass dieses verteilt werden konnte.
Aber wie verteilen, wenn kein Fahrzeug durchkommt?
Was lag näher, als das Transportmittel zu nutzen, welches es auch durch den Modder schafft. Nun gingen die Reiter auf Tour. Wie in alten Zeiten wurden die Pferde beladen und machten sich auf ins Hinterland, um die Menschen zu versorgen. Nicht ganz einfach, denn auch Pferde müssen sich mühsam ihren Weg suchen und rutschen weg. Gut, dass die Lakota Pferdemenschen sind.
Mittlerweile ereilte auch den Staat South Dakota die Erkenntnis, dass hier Hilfe notwendig war und sie stellten Wassertanks und Personal zur Verfügung.
Nun ging es aufwärts, die Sonne schien, der Schnee schmolz und der Modder moddert nur noch etwas vor sich hin. Die nächsten Frühjahrsstürme werden sicherlich die Situation wieder verschärfen.
Wer wissen möchte wie es in der dritten Welt aussieht, findet diese tatsächlich mitten in den USA!
Man glaubt es erst, wenn man es gesehen hat.
Wir möchten uns hiermit ganz herzlich bei allen Spendern bedanken, die außerhalb
des Winterprojekts und der Lakota Horsemanship gespendet haben, denn nur diese Gelder
wurden für Lebensmittel, Wasser und Heizlüfter ausgegeben.