23. Dezember 2017
Es war ein guter Tag, etwas windig, aber nicht zu schlimm für die Pferde und die Reiter. Manche benutzten ihre Autohupen um die Reiter und die Unterstützer aufzuwecken. Heute ist der offizielle Aufbruch für den Ritt und Treck zum Ort des Wounded Knee Massakers auf der Pine Ridge Reservation.
Wir haben begonnen die Pferde zu versammeln, kleine und große, um sie auf den Ritt vorzubereiten. Ich sah die Sonne im Osten aufgehen. Das erfüllte mich mit einem guten Gefühl. Es erinnerte mich daran, dass alles gut ist, dass wir diesen Tag erleben dürfen.
Ein Gebet:
Tunkashila hat uns mit einem sonnigen Tag für unsere Reise beschenkt, aber er behält den Wind, um uns stets daran zu erinnern, dass wir für den Rest des Tages vorbereitet sein müssen, dass wir uns auf unsere Gebete konzentrieren und dass wir verstehen müssen, dass wir menschliche Wesen sind.
Das Frühstück wurde angekündigt indem ein alter Mann von einer Veranda herausrief, dass das Frühstück fertig sei. Ich ging zur Kirche hinüber und auf meinem Weg dorthin wurde ich von Reitern begrüßt, die meine Hand schütteln wollten um „Guten Morgen“ zu sagen. Das war es, sagte ich zu mir selber. Ich erinnerte mich an einen Kommentar, den ich in einer deutschen Stadt machte, wo es so schien als wäre dort niemand, kein Lachen, keine Begrüßung. Hier war es nicht so.
Sie antwortete mir, dass die meisten Bewohner es nicht für nötig hielten, sich einfach so zu begrüßen, dass sie es nur tun würden, wenn sie es für nötig hielten, jemanden speziell zu grüßen. Ich dachte mir, okay, vielleicht ist das dort so, aber ich sehe trotzdem keinen Schaden darin einfach „Hallo“ zu sagen.
Es wurde aufgerufen, sich zu versammeln, was hieß, dass Pferde und Reiter sich in einem Kreis aufstellen sollten. Sobald der Kreis vollständig war, wurden Gebete und Lieder angestimmt, um unsere Lebensweise zu ehren.
Wir warteten jetzt an dem Ort, wo den Reitern beim nächsten Stopp ein Mittagessen serviert und eine Geschichte erzählt wurde von einem Rancher, der gerade auf dem Reservat angefangen hatte, Viehzucht zu betreiben. Er war dabei, nach seiner Herde zu schauen und hatte sich dabei verirrt. Er wanderte orientierungslos herum, als er auf eine Gruppe von Reitern traf, die ihm sagten, er solle ihnen folgen und dass sie ihn wieder auf den Weg führen würden. Der Rancher war sehr froh, dass er wieder an einen Ort kam, von wo er nach Hause finden konnte. Seitdem hat er immer die Reiter begrüßt und viele Jahre sind vergangen. Er konnte sich erinnern, dass es früher wesentlich kälter war. Er erinnerte sich auch daran, dass sie Pause machen mussten, weil es so kalt war und der Schnee sich türmte.
ES WAR -33°C.
Unser Koch vom Cheyenne River sagte, dass das für ihn nicht kalt sei, sondern sich genau richtig anfühle. Es schien wärmer, auch wenn es -33°C waren. Ich wusste aus Erfahrung, dass wir uns auf mechanische Probleme vorbereiten mussten, wenn es richtig kalt werden würde.
Ein weiterer Tag ging zu Ende. Wir waren spät aufgebrochen, aber es war die Regel, abends das Camp aufzuschlagen. 7:00 Uhr abends war die richtige Zeit, um im „Four Corner Camp“ anzukommen. Es war sehr kalt als wir das Militärzelt aufbauten, damit die Reiter es warm hatten, wenn sie sich nach einem langen Ritt ausruhten. Ich konnte den Reitern ansehen, wie sehr sie sich auf der langen Strecke von Bridger in South Dakota zu der „Four Corners“ Gegend wund geritten hatten.
Die Pferde waren am Schwitzen von dem langen Ritt. Unsere Pferde müssen auf dem Treck nach Wounded Knee am meisten ertragen. Meine leisen Gebete gingen an sie, während ich weiter beobachtete. Die Reiter und Pferde stellten sich in einem Kreis auf und das Ende einer langen Tagesreise wurde mit einem Gebet und einem Lied besungen.
Der Koch hatte bereits sein Kochzelt und Verschlag aufgebaut, damit die Reiter sich aufwärmen und eine warme Mahlzeit zu sich nehmen konnten.
„Hoka´he “ - ein Krieger-Ruf!
24. Dezember 2017
Wir waren spät aufgebrochen und der Wind nagte scharf an den Körpern, als die Reiter ihre Reise wieder antraten. Diese Nacht hatte ich im Auto geschlafen und mit einer Freundin, Loreal Black Shawl, geplaudert. Sie nahm zum ersten Mal an diesem Ritt teil. Die meisten haben im Zelt geschlafen und ich habe mich darum gekümmert, dass der Generator für den Heizkörper die ganze Nacht gelaufen ist, da der Mensch keine Maschine baut, die so einen Ritt übersteht. Der Generator ist mehrfach in der Nacht ausgegangen, sodass es kalt im Zelt wurde. Letztendlich hat der Generator ganz seinen Geist aufgegeben. Glücklicherweise hatten wir noch einen anderen mitgebracht.
Das Frühstück war vorbereitet und konnte serviert werden. Es war immer noch windig, aber das war normal. Die Reiter wurden gedrängt sofort los zu reiten, damit sie noch bei Tageslicht am Big Foot Pass ankommen würden. Am heutigen Tag mussten die Reiter ihr ganzes Herz und ihren ganzen Geist zusammennehmen, um das nächste Ziel zu erreichen, da der vorhergehende Tag sehr hart für sie war. Die Pferde waren auch müde.
Wir erreichten den Big Foot Pass und bereiteten wie immer alles vor, um die Reiter in Empfang zu nehmen. Es war ein langer Tag für Reiter, Pferde und Unterstützer.
25. Dezember 2017
Am heutigen Morgen war es sehr kalt, der Wind blies und im Norden braute sich ein Sturm zusammen. Das Frühstück wurde serviert und die Reiter bereiteten sich auf die Versammlung vor. Unser „Elder“ Francis „Chubbs“ Thunder Hawk hatte sich auf die Reise mit den Pferden vorbereitet. Lieder wurden gesungen und Gebete gesprochen.
Wir kamen auf das Pine Ridge Indianer-Reservat der Oglala/Miniconjou, von denen manche Nachfahren der Überlebenden des Wounded Knee Massakers sind. Es ist an uns den Verwandten, die überlebten, zu gedenken. Jetzt sind wir die Generation auf dem Pine Ridge Reservat.
Wir erreichten Red Water Spring und der Sturm saß uns im Nacken. Wir mussten weiter voran. Diejenigen, die noch genug Kraft hatten, den Ritt zu Ende zu bringen, mussten weiter und diejenigen, die keine Kraft mehr hatten, wurden nach Hause transportiert. Manche Reiter waren einfach zu ermüdet, um weitermachen zu können. Ich verließ den Ort als letzter, ganz nach dem “kola”-Prinzip, nach dem wir keinen Reiter oder Pferd zurücklassen.
ES WIRD SICH UM ALLE GEKÜMMERT!
Jetzt bin ich auf meinem Weg zurück.
26. Dezember 2017
Ruhetag des „Si´Tanka Wo´kiki´suye“ Rittes. Für den Abend waren einige Veranstaltungen geplant. Es gab musikalische Vorträge einschließlich eines Flötisten und der Porcupine Drum Group. Ein paar Redner sprachen von ihren Erfahrungen und wie sie dazu kamen, an dem Ritt teilzunehmen.
Es war ein guter Tag!
27. Dezember 2017
Es war ein weiterer großer Tag für einen Pferderitt, auch wenn der Ritt zu den Red Owl Quellen nur kurz sein würde. Mich rückbesinnend merke ich, diese Route ist immer die gleiche geblieben, was dem Ritt seine Beständigkeit gibt. Ich habe selber viele Jahre lang an diesem Ritt teilgenommen, um den Spuren zu folgen. Auf diesem Ritt habe ich meinen Sohn Davis und meine Enkelin Leigha aufgezogen. Davis ist jetzt 14 und Leigha 12 Jahre alt.
Mann, wie die Zeit vergangen ist!
Ich denke, dass der Ritt sehr wichtig ist, um unseren gemeinsamen Geist zu erneuern und sie werden sich noch viele Jahre daran erinnern. Mein Großvater William Horn Cloud hat mir von der tragischen Geschichte von Wounded Knee erzählt, so weiß ich, wie sich diese tragische Geschichte auf die kommenden Generationen auswirkt.
28. Dezember 2017
Der „Si’Tanka Wokiksuye“ Ritt ist am Ende seiner Wanderung angelangt. Es war ein langer Weg bei so kalten Temperaturen.
Wir müssen uns an diejenigen erinnern, die durch dieses fürchterliche Ereignis, welches von der Regierung der Vereinigten Staaten begangen wurde, umgekommen sind und gelitten haben. Wir müssen uns erinnern für diejenigen, die überlebt haben und diese Tragödie immer wieder durchleben. Diejenigen, die überlebt haben, müssen es ertragen und derer, die verloren gingen, gedenken, Großväter, Großmütter, Mütter, Väter, Brüder, Schwestern, Tanten, Cousins. Sie müssen ihrer selbst gedenken, da sie weiterhin den Schmerz und die Frustration durchleben.
Denn diejenigen, die leben, müssen den folgenden Generationen mündliches Zeugnis abgeben. Jetzt ist 2017 und seit 1890 ist viel Zeit vergangen. Diejenigen, die ihre Geschichte erzählt haben sind gegangen. Es ist an unserer Generation, diese Geschichte weiterzuerzählen, solange bis alle Verstorbenen und alle Lebenden ihren Frieden mit den Seelen der Nachkommen gemacht haben. Wann es soweit ist, weiß niemand, aber der Si’Tanka Wo’kiki’suye wird so lange jährlich den Treck weiterführen, bis in den Seelen der Verstorbenen und der lebenden Nachkommen Frieden eingekehrt ist.
Ich stand auf einem Berggipfel als mir eine Erinnerung an meinen Großvater William Horn Cloud kam, der die Geschichte seines A’te „Vaters“ Joseph Horn Cloud erzählte, welcher bei dem Massaker dabei war:
„Am frühen Abend wurde er von einem Soldaten angehalten, der ihm sagte, er solle sich, solange es noch möglich sei, davonmachen. Dies sagte er dann seinem A’te „Vater“ Horn Cloud, aber dieser antwortete, dass sie unter dem Schutz der weißen Friedensfahne stünden.“
Am nächsten Tag begann das Morden. Er schaffte es, am Leben zu bleiben und begann eine lange Reise des Heilens und der Bewältigung dessen, was seiner Familie zugestoßen war. Jetzt erzähle ich die Geschichte in der 4. Generation und 100 Jahre sind vergangen. Das meine ich, wenn ich davon rede, dass wir ein über Generationen hinweg verinnerlichtes Träume heilen müssen.
Ich sagte zu mir selber, was für ein langanhaltender Eindruck, der durch die Zeit bis 2017 gereist ist und jetzt von der fünften und sechsten Generation der Mahpiya He’ton (Horn Cloud Ti’wahe) weitergetragen wird.
29. Dezember 2017
Es ist ein guter Tag, um den Ritt an der Billy Mill zu beenden. Dieser Teil des Trecks erinnert an diejenigen, die von dem Totenfeld Wounded Knee weggetragen wurden. Einige haben gelebt und sind dann in der Kirche gestorben, welche helfen wollte. Aber die Verstorbenen durften nicht auf einem kirchlichen Friedhof beerdigt werden.
Es ist ein Tag voller Respekt, um unserer Verwandten zu gedenken, die vor langer Zeit diesen fürchterlichen, von den Vereinigten Staaten von Amerika begangenen, Taten zum Opfer gefallen sind.
30. Dezember 2017
Dieser Tag wurde erst kürzlich dem Si’Tanka Wo’kiki’suye ta’sunka Akanke angehängt, um zu der St. John Kirche zu reisen. Der Grund, warum dieser Tag dem Si’Tanka Wo’kiki’suye Ritt angehängt wurde, war, um die St. John Kirche zu würdigen, welche sich in der Ortschaft der Pine Ridge Agentur befand. Sie diente als Krankenhaus für diejenigen, die das Wounded Knee Massaker überlebt hatten, auf dem Totenfeld aufgesammelt und dorthin gebracht wurden.
Zum Abschluss möchte ich mit allem Respekt meinen deutschen Verwandten für ihre Unterstützung und der andauernden Beziehung als menschliche Wesen danken. “Mitakuye oyasin”. Von ganzem Herzen bitte ich Tunkashila um Segen für eure Familien, für gute Gesundheit und Sicherheit in unserer unsicheren Welt.